Seit 2017 findet im Düsseldorfer Stadtteil Bilk bei Gastgeberin Aimée Bastian in regelmäßigen Abständen immer freitags um 19 Uhr der „Coaching Salon“ statt. Was das genau ist und wieso es sich lohnt, auch in anderen Städten Salons zu initiieren, erzählt sie hier im Interview.

Redaktion: Wie kamst du auf die Idee?
Aimée Bastian: Als ich frisch getrennt war, waren meine Kinder so drei, vier Jahre alt. Ich hatte keinen zuverlässigen Babysitter, wollte aber trotzdem am sozialen Leben teilhaben. Und dann kam mir damals, also schon 2005, die Idee, es meinen großen, französischen Vorbildern gleichzutun und einen Salon zu eröffnen. Klingt vielleicht etwas hochgestochen, aber ich hatte als Teenager von so vielen mutigen, emanzipierten Französinnen und ihren Salons gelesen, dass ich irgendwann dachte, das will ich auch :-). Und ganz ähnlich wie die Salonnières des 17. bis 20. Jahrhunderts habe auch ich unterschiedliche Menschen aus ganz unterschiedlichen Schichten in meiner Küche versammelt, um über die Dinge zu diskutieren, die gerade gesellschaftlich relevant waren. Ich lud also sechs bis acht Leute zu mir ein, die gerne auch Fremde mitbringen durften, die sie spannend fanden, so dass wir am Ende eine kleine Gesellschaft von zwölf bis 15 Leuten bildeten, wovon ich etliche noch nie gesehen hatte. Das waren wirklich sehr inspirierende Abende, an denen vom Junkie bis zum Banker jeder gehört wurde …
Redaktion: Und das war dann der Vorläufer für den Coaching Salon?
Aimée Bastian: Genau. Der ursprüngliche Salon verlief sich nach ein paar Jahren und dann übernahm ich im Oktober 2017 einfach das Konzept und lud diesmal unterschiedliche Coaches zu mir ein – jeder konnte wieder neue Teilnehmer vorschlagen und mitbringen, damit wir nicht immer in gleicher Konstellation zusammenkommen.
Redaktion: Gibt es da ein festes Rahmenprogramm?
Aimée Bastian: Nein, gar nicht. Jeder Abend verläuft anders. Wir sind meist acht bis 16 Teilnehmer und je nach Gruppengröße und je nachdem, wie viele „Neue“ dabei sind, gibt es eine Vorstellungsrunde, wenn alle da sind. Entweder sprechen wir über ein gemeinsames Thema oder es finden sich eben mehrere kleine Grüppchen, die sich über Trends aus der Coachingszene, aber auch ihre eigene persönliche Entwicklung, neue Tools und Techniken oder aktuelle gesellschaftliche und spirituelle Themen austauschen. An manchen Abenden läuft es sehr pragmatisch und es werden neue Techniken vorgestellt und ausprobiert, an anderen wird eher philosophiert und diskutiert. Ich nehme es einfach so, wie es kommt; so, es wie dann ist, ist es stets genau richtig.
Redaktion: Apropos „richtig“: Wenn auch öfter mal „Fremde“ dazukommen, kann ich mir vorstellen, dass du vielleicht nicht jeden unbedingt sympathisch findest. Was passiert, wenn jemand nicht so „richtig“ zu euch passt? Wird der dann ausgeschlossen?
Aimée Bastian: Ja, stimmt, das kann schon mal vorkommen, dass ich mich von einem Gast getriggert fühle. Und nein, ausgeschlossen wird keiner. Das ist mir auch sehr wichtig. Es gab schon zweimal die Situationen, dass ein, zwei Teilnehmer darum gebeten hatten, dass einer der Gäste künftig ausgeschlossen wird. In beiden Situationen konnte ich das sehr gut nachvollziehen. Auch mir waren die beiden in den jeweiligen Momenten etwas auf die Nerven gegangen und mein erster Impuls war, ja, klar, die haben da eine Grenze überschritten und das geht nicht. Doch dann dachte ich mir, dass wir das hinbekommen müssen, jeden zu integrieren. Keiner wird zurückgelassen. Denn wenn wir uns mehr Einheit in der großen, weiten Welt da draußen wünschen, dann ist es doch extrem wichtig, dass wir das zumindest im Kleinen schon mal hinbekommen. Wenn wir als Coaches das in unserer kleinen Gruppe nicht schaffen, wer dann?
Redaktion: Habt ihr es denn dann geschafft, die beiden zu integrieren?
Aimée Bastian: Ja, klar. Haben wir. Beide sind inzwischen auch sehr geschätzte Mitglieder, die sich mit viel Engagement in die Gruppe einbringen. Dafür bin ich irre dankbar. Denn das gibt mir die Hoffnung, dass wir auch in größeren Kontexten wieder eine gut kollaborierende Gemeinschaft werden.
Redaktion: Geht es denn in den Salons nur um einen netten, gemeinsamen Abend mit professionellem Austausch?
Aimée Bastian: Nein. Für mich geht’s um weit mehr. Es geht auch darum, Projekte zu initiieren. Z. B. das Coaching Camp 2020 in Kürten. Hintergrund ist, dass einige von uns seit vielen Jahren im Sommer nach Abano zu Metaforum fahren. Dort findet jeweils Ende Juli für drei Wochen ein Coaching-Camp statt und es treffen sich gut 800 Leute, vorwiegend aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, um gemeinsam zu lernen und zu wachsen. Corona-bedingt war das 2020 leider ausgefallen – alternativ hatten wir dann auf einem der Coaching Salons beschlossen, selbst ein kleines Camp zu organisieren. Gesagt, getan: Im August 2020 mieteten wir uns mit etwas über 20 Leuten in einem großen Haus in Kürten im Bergischen Land ein, um vier Tage lang in unterschiedlichen Workshops voneinander zu lernen. Das war eine Super-Sache: Es flossen eine Menge Tränen, es wurde viel gelacht, wir haben gemeinsam gegessen und gefeiert – und sind sicherlich alle wieder ein kleines Stückchen gewachsen.
Redaktion: Klingt gut. Gibt’s denn noch mehr solche Projekte?
Aimée Bastian: Ja. In Kürten waren letztlich viele Leute aus dem Coaching Salon, aber auch ein paar aus Dirk Hüttemanns Coaching Circle, den er 2019, inspiriert durch den Coaching Salon, in Wuppertal gegründet hat. Bei ihm entstand eine Gemeinschaft aus primär drei verschiedenen Seminarrichtungen: IPE-Kinder- und Jugendcoaching, NLP Deutschland und Greator (ehemals Gedankentanken). Da Dirk Kürten organisiert hatte, will er für 2021 wieder ein solches Camp für uns alle organisieren. Ein weiteres Projekt ist im Frühsommer 2020 mit Sandra Schelonkas Schwarmintelligenz-Treff in Ratingen entstanden, auch eine Art Salon, aber mit etwas anderer Ausrichtung: Die Intelligenz von vielen wird für eine Fragestellung einer Person genutzt. Alle Meinungen werden gehört und wirken als Inspiration. Und dann ist da noch mein Herzensprojekt United Field. Diese Idee wäre vermutlich auch nicht ohne den Coaching Salon und die großartige Unterstützung der Teilnehmer entstanden. Vor allem könnte ich weder den Content für die Website hier, noch für die Facebook-Gruppe oder den Podcast alleine erstellen. Will ich auch nicht. Ich stelle mir vor, dass wir hier alle gemeinsam auf der Website oder bei Facebook publizieren, um uns und andere gegenseitig zu unterstützen, zu inspirieren – und mit Licht und Liebe zu fluten.
Redaktion: Wow, da ist ja schon einiges entstanden, was sich dann auch verselbständigt. Siehst du die Zirkel von Sandra und Dirk nicht als Konkurrenz?
Aimée Bastian: Nein, auf keinen Fall. Im Gegenteil: toll wäre doch, wenn es deutschlandweit in allen Städten wieder eine Salonkultur gäbe… und wenn ich mal in Leipzig oder München bin, einfach rechtzeitig anfragen kann, ob ich als Gast mal dabei sein darf. All denjenigen, die einen Salon oder Zirkel gründen wollen, biete ich sehr gerne an, dass wir mal telefonieren – ich teile gerne meine Erfahrungen und wir publizieren auch gerne die jeweiligen Salons hier auf der Website.
Redaktion: Letzte Frage – ist das denn nicht anstrengend und auch teuer, ständig fremde Menschen zu beherbergen?
Aimée Bastian: Nö. Ich setzte die Termine so an, dass es für mich passt und bin da recht entspannt. Heißt: Ich hab nicht den Anspruch, die perfekte Gastgeberin zu sein, die alle verwöhnt. Stattdessen stelle ich an den Abenden auch nur den Crèmant, Wasser, Kaffee und die Räumlichkeiten. Und den Rest bringen die Gäste mit: Wein, Fingerfood, ein bisschen Brot, Käse und Oliven. Ich bereite auch nichts vor. Jeder, der schon mal da war, weiß inzwischen bei mir, wo die Gläser, das Besteck und die Teller sind und bedient sich selbst. So ist das wirklich keine große Arbeit und es reicht völlig wenn ich die Tür aufmache.
Mit Aimée Bastian, Initiatorin von United Field, Unternehmerin & Coach in Düsseldorf
Kontakt: www.familiencoaching-nrw.de
Über die Salons des 17. bis 20. Jahrhunderts
Der gesellige Austausch mit Gästen in den eigenen Wänden geht bis ins Mittelalter zurück, hat seine Hochphase vor allem seit dem 17. Jahrhundert in Frankreich. Bis ins 20. Jahrhundert hinein unterhielten einige mutige Frauen aus dem Bürgertum ihre berühmten Salons. Bekannte Gastgeberinnen waren u. a. Juliette Récamier, Madame de Staël und Madame d`Épinay. Bei diesen Treffen im privaten Raum gab es Lesungen und Konzerte und es wurde meist angeregt diskutiert. Über diese Zirkel konnten die ersten Frauen bis dato für sie verschlossene Bildungsreservate und auch die Literatur erobern. Dabei fand der Ideenaustausch nicht nur geschlechter-, sondern auch klassen- und religionsübergreifend statt – und wirkte nicht selten auch als Katalysator für politische Umbrüche wie die Französische Revolution. Die Salonkultur breitete sich aus und schon bald konnte man Salons in ganz Europa besuchen.
Entdecken lassen sich zahlreiche faszinierende Salonnières (Gastgeberin eines Salons) auch im deutschsprachigen Raum: Z. B. Herzogin Anna Amalia von Sachsen Weimar-Eisenach (1739 bis 1807). Sie gründete 1775 einen Salon nach französischem Vorbild und lud nicht nur den Hochadel, sondern auch Wissenschaftler, Gelehrte, durchreisende Fremde und nur wenige Adelige ein.
Oder Johanna Schopenhauer (1766 bis 1838), die in Weimar 23 Jahre lang einen scheinbar eher anspruchslosen Salon mit Goethe als Gast unterhielt. Ihr gelang es, in der schwierigen Zeit unter Napoleons Besatzung, die Eliten von Weimar an ihren Tisch zu bitten. Nicht nur in Weimar, auch im preußischen Berlin entstanden einige bedeutende Salons wie die von Henriette Herz und Rahel Varnhagen. Zum Weiterlesen gibt es einen interessanten Artikel bei GEO.
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